Mit der Gäubahn zum
Wandern ins Gäu:
Von Horb, Fachwerkparadies und „Tor zum Schwarzwald“,
zum
Johanniterort Rexingen
Ich durfte wieder für bwegt, der neuen
Mobilitätsmarke für Baden-Württemberg, unterwegs sein. Dieses Mal mit der
Gäubahn – natürlich ins Gäu, nicht wie beim letzten Mal bis an den Bodensee.
Ausgangspunkt der Wanderung war das
sehenswerte Städtchen Horb. In seinem Zentrum folgt ein sehenswertes Haus dem
anderen, die Stadt alleine wäre schon einen Ausflug wert. Sie wird auch das
„Tor zum Schwarzwald“ genannt, ist aber auch von den Landschaften des Korn-
sowie des Schlehen- und Heckengäus umgeben. Wir werden sie auf der Tour noch
kennenlernen.


Da der Horber Bahnhof nur vom Neckar
von der Altstadt getrennt ist und ich durch diese hindurch wandern muss, ist
auch gleich zu Beginn eine interessante Strecke garantiert. Nach der Altstadt
folgt ein Wegstück durch ein Naturschutzgebiet mit einem teilweise fast
urwaldartig wuchernden Wald – besonders interessant sind die Lianen, die von
den Bäumen herabhängen und die an alte Tarzanhefte aus vergangenen Jugendzeiten
erinnern. Weitere Höhepunkte der Tour sind ein interessanter jüdischer Friedhof
und Rexingen, an dessen Geschichte neben dem Johanniterorden auch die einst
jüdische Bevölkerung ihren Anteil hatte. Über den aussichtsreichen Stallberg
und den Schütteturm hoch über Horb, ebenfalls mit weitem Blick auf die
Umgebung, geht es dann zurück ins Städtchen, wo ich den Ausflug ausklingen
lasse.


Also, auf geht’s. Die modernen und gut
ausgestatteten Waggons der Gäubahn – Stichwort Stromanschluss und WLan –
bringen mich bequem nach Horb. Kein Stress, kein Stau, wie immer bei Anfahrten
zu Wanderungen mit der Bahn beginnt die Erholung gleich unterwegs. Nach dem
Bahnhof folgt auch sofort die erste Idylle: Ich überquere den Neckar, von dem
aus ich bereits einen herrlichen Blick auf die hoch auf einer Anhöhe liegende
Altstadt habe. Danach folgt ein Kanal. In diesem spiegeln sich die Kirche und
die Häuser der Altstadt, „Klein-Venedig“ wird so etwas in anderen Städten
genannt. Nicht zu Unrecht. Anschließend geht es entlang der hohen, fast senkrechten
Mauern und zwischen verwunschenen Gärten, aus denen jeden Augenblick ein Zwerg
heraustreten könnte, hinauf zum Marktplatz.
Frühmorgens bin ich noch alleine
unterwegs, da schläft Horb noch. Ob da wohl die vielen Spitzwegidyllen in den
alten Gassen mitspielen? Jedenfalls ist es ein schönes Gefühl, so eine Altstadt
„für sich allein“ zu haben.
Von der Neckarbrücke bietet sich ein erster
herrlicher Blick auf die Horber Altstadt, die sich den Hügel hinaufzieht und
deren Häuser gleich einer Krone den Hügel überziehen. Von der zweiten Brücke
sieht man zwar auch hinauf, viel beeindruckender aber ist die Spiegelung im Kanal.
Anscheinend kann man sie nur morgens sehen, denn auf meinem Rückweg ein paar
Stunden später spiegelte nichts mehr.
Danach ging es von der Neckarstraße
aus steil hinauf. Treppe, Treppe, Treppe. Ich kam mir vor wie ein Wengerter in
seiner Steillage über dem Neckar. Passend dazu findet man zwischen den Häusern
auch immer wieder kleine Gärtchen, teilweise so verwunschen und zugewachsen,
dass man sich nicht wundern würde, wenn jeden Augenblick ein Zwerg oder
Dornröschen auftauchen würden. So klein sie auch sind, in ihnen wachsen
überreich Tomaten, Bohnenstangen weisen gen Himmel und die vielen bunten Blumen
haben die fleißigen Anwohner sicher nur fürs Herz gepflanzt …
Unterwegs kann man einen Abstecher zum
Kakteengarten machen, und im ehemaligen Dominikanerinnenkloster könnte man den
Weißen Garten besichtigen. Er ist aber nur zu bestimmten Zeiten geöffnet, und
das war so frühmorgens noch nicht der Fall.
Vorbei an der Stiftskirche Heilig
Kreuz stieg ich hinauf zum Schurkenturm. Er diente im 18. und 19. Jahrhundert als
Gefängnis, man mag sich gar nicht ausmalen, wer dort alles leiden musste.
Sicherlich auch für Delikte, die heute kaum noch der Rede wert sind. Tempi
passati. Es folgten der kleine Burggarten und eine kleine, verschlossene
Kapelle, danach überquerte ich die nicht umsonst so genannte Panoramastraße. Der Weiterweg erfolgte
auf dem Kinzigtäler Jakobsweg.
Nun begann eine ganz andere Szenerie.
Zuerst wanderte ich zwischen Häusern und wunderschönen Gärten: Blumen aller
Art, darunter solche, die wohl schon in alten Bauerngärten gepflanzt wurden,
wechselten sich ab mit Kohl und Kraut im „nützlichen“ Teil der Gärten. Alles
harmonierte, alles schillerte und glänzte, Nutzen und reiner Genuss dicht
nebeneinander. Etwas später hatte ich auch die Randbesiedlung Horbs hinter mir.
Der Urwald begann
Urwald ist
zwar etwas hoch gegriffen, aber etwas erweckte schon einen recht urtümlichen
und wilden Eindruck im folgenden Waldgebiet, einem Naturschutzgebiet natürlich.
Links und rechts des Weges wucherte es. Dschungelartig hingen Lianen von den
Bäumen, die Reste der Waldreben, erkenntlich an ihren Blütenständen, hingen
über die Büsche, und diese wucherten so in den Weg, dass nicht viel fehlte, und
man hätte sich mit einer Machete durchschlagen müssen.

Die Schlehen hingen
voller blauer Beeren, Erinnerungen an süßen, selbstgemachten Schlehenlikör
kamen auf – jedes Jahr kann ich gar nicht so viel ansetzen, um die Nachfrage zu
befriedigen … Auch ein kleines, gelbes Blümlein erregte meine Aufmerksamkeit.
Im Gebirge war mir mal eine winzige Orchidee aufgefallen. „Gewöhnliche
Weißzunge (Pseudorchis albida)“
war das, fand ich daheim heraus. Sollte diese Pflanze, gefunden am Straßenrand
bei Ihlingen, womöglich auch diese Orchidee sein? Aber die Enttäuschung folgte
auf dem Fuße, sprich natürlich später daheim. Ein Fotovergleich sprach dagegen.
Was es allerdings für ein Blümchen war, weiß ich auch nicht.

Viel zu schnell war diese Herrlichkeit
aber wieder vorbei, ein paar Lichtungen, eher der idyllischen Sorte, folgten,
und schon war ich in Ihlingen. Links, rechts, links und hinauf, dazwischen
vorbei an einem alten Jakobuskirchlein mit einem wuchtigen, romanischen Turm,
der so gar nicht zum Rest des Gotteshauses passen wollte, und schon war ich
wieder draußen aus dem Dorf.
Zum jüdischen Friedhof
Nun stieg es an. Zum Glück schaute ich
zurück. Ich erstarrte zwar nicht zur Salzsäule wie Lots Frau, ganz im
Gegenteil, es lohnte sich: Ein Wechsel zwischen lieblichen Wiesen mit Gebüsch
und dunklen, ernsten Wäldern bestimmte den Rückblick. Nach etwas Anstieg waren
es nur noch ein paar Minuten bis zum jüdischen Friedhof von Rexingen.
Er wurde 1760 angelegt und ist mit
seinen mehr als 1000 Grabsteinen einer der größten in Württemberg. Ich mag sie
ja, die jüdischen Friedhöfe. Abgesehen von ihrer Bestimmung haben sie einen
ganz anderen Charakter als unsere üblichen Friedhöfe: Die alten, ehrwürdigen
und oft reich geschmückten Grabsteine sind alle nach Osten ausgerichtet, manche
nach jüdischer Sitte mit Steinen belegt, die Besucher hinterließen. An den
Schmuckelementen der Grabsteine lassen sich der Beruf des Toten, seine
rituellen Aufgaben und eventuell besondere Eigenschaften von ihm ablesen.
Leider war er verschlossen; traurig, dass dies nötig ist.


Ebenfalls historisch interessant, aber
von anderer Qualität, waren die Höhlen, die kurz danach am Weg lagen: Es waren
ehemalige Bierkeller. Heute fühlen sich Fledermäuse in ihnen wohl. Hier wie
auch später in Rexingen, ja bis hinauf auf die Höhe in die Felder, waren immer
wieder Tafeln der „Rexinger Themenwege“ angebracht. Man konnte lesen, was es
hier Besonderes gab, was es mit diesem oder jenem Haus auf sich hatte, wo
überall jüdische Bevölkerung lebte, und mit einem QR-Code ließen sich sogar
weitere Informationen aufs Handy laden.
Bald erreichte ich die ersten Häuser
von Rexingen, ein Ort, der nicht nur von der jüdischen Bevölkerungsgruppe mit
geprägt wurde, sondern auch von dem hier sitzenden Johanniterorden. Steil
abwärts ging es an der katholischen Pfarrkirche St. Johannes Baptist vorbei. Ein klassizistisches Gebäude,
nüchtern von außen, nüchtern von innen, trotz der Wandmalereien.
Danach quert die Freudenstädter
Straße. Nach links machte ich einen Abstecher zur ehemaligen Synagoge. Sie wurde
zur evangelischen Kirche umgebaut. Zumindest wurde ihr dadurch wohl die
Zerstörung erspart.
Danach geht es nach rechts zum
Schandturm. Von ihm auf steige ich in der Bergstraße steil hinauf. Unterwegs
lese ich eine Tafel mit der Geschichte eines jüdischen Metzgers, der hier sein
Geschäft und Wohnung hatte. Andere Tafeln erzählen weitere Geschichten aus
Rexingens alter Zeit.
Nach weiterem Anstieg verließ ich dann
den Ort, mit einigem Schnaufen ob des Anstiegs und einigen nachdenklichen
Gedanken ob der Vergangenheit des Dorfes. Der Weg zwischen den Feldern zum Stallberg
machte den Kopf wieder frei.
Vor allem der weite Blick über die Felder, ja
sogar bis hin zur Schwäbischen Alb, über die weite Landschaft mit den markanten
Wolkengebilden, die einen meinen lassen, nicht in unserer kleinräumigen Gegend
zu sein, sondern irgendwo, wo weite flache Landschaften und hoher Himmel zur
„Grundausstattung“ der Topographie gehören.
Der folgende Wegabschnitt führte mich
zwischen Feldern und Hecken – nicht zu vergessen, ich befand mich im Heckengäu
– zu einem Campingplatz. Wer dort nicht von Winnetous Pfeil getroffen werden
will, macht am besten um den Bogenschießplatz einen Umweg. Danach jedoch
wartete der Schütteturm. Er ging aus einem ehemaligen Wachtturm hervor und
liegt hoch, ja fast direkt über Horb.
Vorbei an der Ottilienkapelle – sie
wird bei Augenleiden aufgesucht – stieg ich den steilen Kreuzweg hinab.
Immer
mit dem Gedanken, dass, wer hier hochsteigt, sicher alle seine Sünden und auch
die, die er in Zukunft noch begehen wird, abbüßt.
Ins Fachwerkparadies Horb
Und schon war ich wieder an der Panoramastraße.
Halt, die kannte ich ja noch. Und so ging es auf bekanntem Weg zum Marktplatz
und durch den langgestreckten Platz hindurch. Prächtige Häuser gab es hier zu
sehen.
Unter allen stach das Geßlersche Amtshaus mit seinem prächtig
geschmückten Barockportal und dem von Kaiser Karl VI. verliehenen Adelswappen
des Obervogts Johann Joseph Geßler von Braunegg hervor. Der Obervogt hat sich um den Wiederaufbau der
Stadt verdient gemacht, wollte sich für sein 1745 gekauftes Haus aber die
Aussicht ins Neckartal freihalten und ließ auf der Südseite des Marktplatzes
eine Häuserlücke unbebaut.
Anderen Häusern sah man ihr Alter ebenfalls
an, auch, dass das Renovieren von altem Baubestand eine
Menge Geld kostet … Auch der vierröhrige Renaissance-Marktbrunnen aus
der Renaissance ist bemerkenswert; wir sehen ihn links vor dem Geßlerschen
Amtshaus. Er wurde bereits 1372 erwähnt und ist mit einem Löwen verziert, der
ein vergoldetes Schwert und ein von einem hohenbergischen und österreichischen
Wappen verziertes Schild trägt.
Jedenfalls war der Gang durch die
Fachwerkherrlichkeit, die Abstecher in die eine oder andere Seitengasse, eine
interessante und vergnügliche Angelegenheit. Zum Beispiel auch der Abstecher
zum Platzbrunnen. Er wurde 1579 nach einer verheerenden
Überschwemmungskatastrophe im Renaissancestil neu errichtet und ist mit einem
lebensgroßen Ritterstandbild von Erzherzog Ferdinand II. von Österreich-Tirol
geschmückt.
Diese Besichtigungsrunde in Sachen
Baukultur war genau richtig zum Abschluss der Wanderung durch eine stellenweise
doch recht wilde Natur. Denn nach dem Marktplatz stieg ich wieder an der
steilen Mauer entlang hinab zum Neckar – der Bahnhof erwartete mich ja schon.
Auch die Gäubahn ließ dann auch nicht
mehr lange auf sich warten. Nun hieß es Beine ausstrecken, sich in den neuen
Polstersitzen räkeln und ein wenig im weltweiten Netz surfen. Ist auch kein
Problem, selbst auf Streckenabschnitten außerhalb der Orte: die bwegt-Züge sind
mit Wlan ausgestattet. Ich habe mich schnell eingewählt, und dann wurde gesurft
was das Zeug hält …
Eine ausführliche Wegbeschreibung
dieser Wanderung finden Sie im Magazin von bwegt und auf meiner Homepage, eine umfangreichere
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Dieter Buck
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